Euro-Desaster: Warum es soweit kam

| Keine Kommentare

Den größten Teil des Dramas habe ich verpasst. Ich war im Urlaub. Erst die sogenannte “Einigung” habe ich wieder mitgekriegt. Und so muss heute der Bundestag über die Aufnahme von Verhandlungen über ein neues Hilfspaket abstimmen. Die unsägliche Grexit-Debatte verschleiert erfolgreich wieso überhaupt über ein neues Hilfspaket abgestimmt werden muss. Wie konnte es überhaupt zu dem Showdown kommen? Unabsehbar war er keinesfalls. Die jüngsten Entwicklungen um das Referendum und das Diktat — pardon, Einigung natürlich — mögen spektakulärer sein, interessanter sind jedoch die Ursachen. Blenden wir die letzten Wochen mal aus. Diese waren nur das Ende einer Europa unwürdigen Entwicklung.

Fünf Jahre Krise. Die Griechen haben brutal gelitten (die Schuldfrage lassen wir mal außer acht). Anfang des Jahres haben sie für einen Wechsel gestimmt, gegen eine Politik, die keine Besserung brachte. Mit Tsipras‘ Amtsantritt sollte es zwar nicht von heute auf morgen besser werden, aber zumindest anders, erträglicher.

Der Wunsch nach einem neuen Rettungskurs ist keine exklusiv griechische Kuriosität, sondern eine nicht zu verachtende politische Strömung. Insbesondere in Südeuropa (z.B. Podemos in Spanien) ist sie stark. Doch auch Hollande und Renzi gehören dazu, wenn auch gemäßigter. Auch in Deutschland ist der bisherige Kurs keineswegs unumstritten. Merkels Fehler (bzw. Deutschlands Fehler) war es diese Strömungen zu unterdrücken und eben nicht einzubinden. Doch die Leute kann man ja schlecht wegsperren, daher war es nur zwangsläufig, dass sich der Druck irgendwann entlädt. Die bisherige Eurorettungspolitik (Austerität) ist eine der Ursachen für den Wahlerfolg Syrizas.

Das ist an sich nichts neues, nachzulesen in jedem gängigen Internet. Interessant sind die Schlüsse, die die Beteiligten daraus gezogen haben.

Auf der einen Seite steht „Griechenland“. Tsipras und Varoufakis haben die große europäische Bühne mit dem Straßenwahlkampf daheim verwechselt, um nicht zu sagen „missbraucht“. Sie sahen das Ergebnis als Berechtigung an als selbsternannte Volkstribune gegen die Willkür der Gläubiger zu schießen. Der Volkswille schien Legitimation und Grund genug um den Partnern/Gläubigern vor den Kopf zu stoßen. Und das sehr oft. Eine kurzsichtige und schlecht durchdachte Strategie. Über die Berechtigung eines Schuldenschnitts kann man sehr wohl diskutieren, selbst der IWF zeigt neuerdings Einsicht. Wenn man sich aber in Ton und Strategie so dermaßen vergreift, dann schadet das dem eigenen Anliegen. So erscheint es geradezu als schlechter Scherz der Geschichte, dass die griechische Regierung nun nach einer Phase des übersteigerten Selbstbewusstsein und der Ablehnung weiterer Sparmaßnahmen zutiefst gedemütigt die härstesten Auflagen der Rettungsgeschichte erfüllen muss. Spardiktat statt Schuldenschnitt.

Auf der anderen Seite stehen die „Gläubiger“ und an ihrer Spitze natürlich Angela Merkel. Auch sie haben die falschen Schlüsse aus dem Wahlergebnis gezogen. Statt den wachsenden Willen der griechischen Bevölkerung ernst zu nehmen und auch den ökonomischen wie politischen Gründen für eine neue Rettungsstrategie ins Gesicht zu sehen haben sie die möglichen Folgen eines „weiter so“ unterschätzt. Dabei hat die unnachgiebige Strategie aus ökonomischer – und noch mehr aus politischer Perspektive – nur zur Verschärfung der Lage geführt.

Gerade was das Verhalten der Gläubiger angeht, hat sich die Innenpolitik zu sehr mit der Europa- und Eurorettungspolitik vermischt. So erklärt sich die starrköpfige Haltung Merkels uns zu sagen, dass unser Geld weg ist. Zumindest teilweise. Und so hat die Angst vor dem Wähler daheim über das Wohl Europas triumphiert. Dieser Sachverhalt liefert wieder mal ein exzellentes Beispiel wieso eine föderale Struktur Europa gut tun würde. Man hätte auf der einen Ebene „Europäer“ die langfristig und europaorientiert denken würden. Auf der anderen Ebene wären die nationalen Regierungen. Wenn die Regierungschefs sowohl europäische, als auch nationale Entscheidungen treffen, sind Interessenkonflikte unabdingbar.

Nahezu zwangsläufig folgte der monatelange Streit zwischen der griechischen Regierung und den „Gläubigern“ mit ständig neuen Tiefpunkten. Beide Seiten haben ihre Politik nicht sauber durchdacht und die Risiken verkannt. Einiges erinnert dabei an „Die Schlafwandler“ von 1914… Jetzt haben wir ein noch größeres Problem. Und es scheint nicht so, als ob jemand etwas daraus gelernt hat.

Autor: Henri Koblischke

Hi, ich bin Henri und schon seit langem politikinteressiert. Da mir auch Schreiben Spaß macht, habe ich den Blog www.politicsgermany.com aufgebaut. Hier kommentiere ich mit anderen Interessierten die aktuellen Ereignisse in Deutschland, Europa und der Welt. Neben meiner Web- und IT-Affinität bin ich auch ganz analog als Geocacher unterwegs ;)

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.